Gas sparen, Produktion drosseln, auf Soforthilfe hoffen: wie geht die Oldenburger Wirtschaft mit der Energiekrise um?

[21.12.22]

Die Energiekrise ist allgegenwärtig: ob in der eigenen Strom- und Gasrechnung oder in betrieblichen Abläufen. Seit Monaten werden wir dazu angehalten, Energie zu sparen. Heizung runter, Licht aus. Produktionsprozesse optimieren, nicht zwingend notwendige Schritte pausieren. Den Grund dafür kennen wir alle: der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Er hinterlässt auch in der IHK-Region Oldenburg spürbare Auswirkungen.

Die Oldenburgische IHK hat es in ihrer Dezember/Januar-Ausgabe der „Oldenburgischen Wirtschaft“ thematisiert, und auch der IHK Neujahrsempfang am11. Januar 2023 macht Energie zum zentralen Thema. Die Bundesregierung hat ein umfangreiches Entlastungspaket verabschiedet, das Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen in dieser angespannten Zeit unterstützen soll. Die Landesregierung Niedersachsen ergänzt die Beschlüsse des Bundes um weitere 970 Millionen Euro umfassende Maßnahmen, unter anderem 200 Millionen Euro Wirtschaftshilfen zur Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen. Wie die Hilfen konkret aussehen werden ist indes noch offen.

Wir wollten wissen, wie sich die Energiekrise in unserem IHK-Gebiet, konkret in den Betrieben unserer Wirtschaftsjunioren, äußert, welchen Umgang unsere WJs mit ihr gefunden haben und wie sie sich im Hinblick auf eine sich möglicherweise zuspitzende Situation im Jahr 2023 vorbereiten. Gesprochen haben wir mit Thorsten Petry von Heinz Petry Maschinenbau (Edewecht), Sven-Patrick Zimmermann von Ulrich Zimmermann Sonderposten (Oldenburg) und Alexander Rancke von der Landessparkasse zu Oldenburg.

Unsere Fragen an die Interviewteilnehmer

Die Ist-Situation im Betrieb

Zum Jahresende laufen die Strom- und Gasverträge für Petry Maschinenbau aus. Ab Januar bezieht Thorsten Petry die Kilowattstunden für sein Unternehmen nicht mehr zum Festpreis, sondern über den Versorger zum Tagespreis am Spotmarkt (ein Markt, an dem ein Geschäft zum aktuellen Preis innerhalb von zwei Tagen abgewickelt wird). „Dies macht die Kalkulation der zu erwartenden monatlichen Kosten sehr schwierig. Ich habe mich jedoch zu diesem Modell entschieden, da der angebotene Festpreis für das Jahr2023 zu dem Zeitpunkt exorbitant hoch war. Die Spot-Verträge für das kommende Jahr bieten auch die Option wieder in einen Festpreisvertrag zu wechseln.“

„Es verging in den letzten Monaten nicht eine Woche, in der nicht durch Lieferanten eine Preissteigerung aufgrund der gestiegenen Energiekosten angekündigt wurden.“

Im Bereich Materialeinkauf spürt Thorsten die gestiegenen Kosten hingegen schon heute deutlich durch immer mehr Lieferanten, die einen Energiekostenzuschlag erheben. „Es verging in den letzten Monaten nicht eine Woche, in der nicht durch Lieferanten eine Preissteigerung aufgrund der gestiegenen Energiekosten angekündigt wurden.“

Etwas angespannt wirkt auch Sven-Patrick Zimmermann bei seinem Blick auf das kommende Jahr. Für das mittelständische Einzelhandelsunternehmen mit 45 Filialen in Norddeutschland ist der Posten „Energie“ auf der Seite der Kosten ohnehin sehr hoch. Durch die gestiegenen Energiepreise rechnet Sven mit dem dreifachen an Energie-Mehrkosten zu 2022, was für sein Unternehmen einen niedrigen siebenstelligen Betrag für Strom und Gas bedeutet. „Diese können durch Preisanpassungen und Einsparmaßnahmen eingedämmt, aber nicht aufgefangen werden“, so Sven.

Einen direkten Zusammenhang mit der Energiekrise sieht Sven auch bei dem spürbar veränderten Kaufverhaltenseiner Kunden: „Im laufenden Jahr haben wir einen Wandel im Konsumverhalten unserer Kunden festgestellt. Resultierend aus den immer weiter steigenden Verbraucherpreisen liegt der Fokus der Kundschaft derzeit hauptsächlich auf preiswerten Food-Artikeln und Dingen des täglichen Bedarfs. Nonfood-Artikel in Preisklassen über 20 Euro sind derzeit wenig frequentiert. Sodass wir in Summe konstante, stabile Umsätze bei niedrigerer Marge haben.“

Notwendige Veränderungen im Unternehmen

Aus einer etwas anderen Perspektive blickt Alexander Rancke, Firmenkundenberater bei der Landessparkasse zu Oldenburg, auf die Situation. Als regional ansässiges Bankhaus mit vielen Büro-und Dialogflächen ist der Energiebedarf bei der LzO sehr groß. Auch hier werden daher Maßnahmen umgesetzt, die einen Beitrag zur Versorgungssicherheit sowohl kurz- als auch mittelfristig in Deutschland beitragen sollen. Dazuzählen neben logischen Maßnahmen wie der Absenkung der Raumtemperatur die Abschaltung des Warmwassers und bestimmter Beleuchtungsanlagen.

„Viele dieser Maßnahmen erfordern einen nicht unerheblichen Investitionsaufwand, der sich jetzt zusätzlich ergibt.“

Auch Sven hat für seinen Betrieb einige Maßnahmen umgesetzt, die die deutlichhöheren Kosten eindämmen sollen: Verkürzte Öffnungszeiten, Umstellung auf LED-Beleuchtung, Austausch von veralteten Stromfressern z. B. Tiefkühltruhen, Sanierungsarbeiten an Gebäuden, Reduzierung der Werbebeleuchtung, Verkleinerung der beheizten Verkaufsflächen und die Schließung der Gartencenter. „Viele dieser Maßnahmen erfordern einen nicht unerheblichen Investitionsaufwand, der sich jetzt zusätzlich ergibt“, kommentiert er seine Maßnahmen.

In Sachen Investitionen scheint Sven mutiger zu sein als viele andere Unternehmen unserer Region. Das beobachtet Alexander jedenfalls: „Ich merke bei nicht allen, aber doch einigen Kunden eine gewisse Zurückhaltung in puncto Investitionen. Betriebsmittelfinanzierungen und Investitionen in erneuerbare Energien ja, aber eben auch Zurückhaltung bei z. B. Erweiterungen und Immobilien. Vor dem Hintergrund der aktuellen Unsicherheit nicht nur in Bezug auf die Energiekosten, sondern auch auf die konjunkturelle Entwicklung werden insbesondere Erweiterungsinvestitionen mitunter zurückgestellt. Maßgeblich sind durch die gestiegenen Zinsen auch Investitionen in Immobilien betroffen, die inzwischen einen hohen Eigenanteil erfordern und/oder einen negativen Cashflow-Beitrag („trägt sich nicht mehr“) erzielen […].“

Auch Thorsten hat sich viele Gedanken gemacht. Es gab Überlegungen, einen sehr energieintensiven Produktionsschritt, nämlich das Beschichten der Baggerschaufeln, fremd zu vergeben, da hier die Halle relativ hohe Temperaturen benötigt. „Da hier aber unsere Flexibilität leiden würde, habe ich mich zunächst dagegen entschieden“, erzählter. Die Fertigungshallen wurden bei Petry Maschinenbau auf die zulässige Mindesttemperatur (ausführliche Informationen dazu, welche Temperaturgrenzen aktuell gelten, findest du auf der Seite des Deutschen Gewerkschaftsbunds) abgesenkt. „Die Arbeitskleidung unserer Mitarbeiter werden wir entsprechend anpassen.“

Die erwarteten Mehrkosten tragen zu können, wie Zimmermann Sonderposten oder Petry Maschinenbau es tun, ist keineswegs selbstverständlich. Alexanderteilt seine Beobachtungen im Firmenkundengeschäft der LzO mit uns:

„Wir stellen fest, dass die Unsicherheit bei allen Unternehmen groß ist und daher auch die Planungssicherheit erschwert wird […]. Vor allem bei den produktionsintensiven Unternehmen sind die Auswirkungen spürbar. Wir haben vor diesem Hintergrund den Dialog mit unseren Kundinnen und Kunden, insbesondere den stark betroffenen, nochmals intensiviert. Damit signalisieren wir, dass wir an ihrer Seite stehen und sie in dieser herausfordernden Zeit unterstützen. Bei vielen Unternehmen steigt der Bedarf an Betriebsmittelfinanzierungen. Damit sollen nicht nur die gestiegenen Kosten temporär überbrückt, sondern auch die Lager mit Vorräten befüllt werden, um die Lieferketten zu entlasten. Zudem hat das Interesse an Investitionen in erneuerbare Energien und zur Senkung des Energieverbrauches zugenommen, die wir bedarfsgerecht begleiten.“

Meinung zur Strom- und Gaspreisbremse

Am 16. Dezember haben die Entwürfe der Gas- und Strompreisbremse den Bundestag passiert und treten damit am 1. Januar 2023 in Kraft. Positiv aus Sicht des DIHK ist, dass ab dem 1. Januar 2023 damit Klarheit über die Gas- und Strompreise für Unternehmen herrscht. Die Anforderungen und Risiken zur Inanspruchnahme der Bremsen sind allerdings hoch und fordern viele Ressourcen in den Unternehmen. Die Melde-, Berichts- und Prüfpflichten und die Anforderungen zum Arbeitsplatzerhalt werden viele Unternehmen, vor allem aus dem Mittelstand, überfordern. Damit wird der Bestand dieser Unternehmen gefährdet, wenn sie keine Entlastung bei den Preisen erhalten. Auch das Bezugsjahr für krisenbedingte Energiemehrkosten passt für viele Unternehmen nicht, die sich im monatelangen pandemischen Lockdown im Jahr 2021 befanden. Hier ist viel Verbesserungspotenzial vorhanden.

Sven: „Die Strom- und Gaspreisbremse ist für unser Unternehmen ein kurzfristiges Instrument, das im Vergleich zu unseren neuen Vertragsabschlüssen für 2023 einen kleinen Beitrag zur Kostenreduzierung leisten kann. Leider ist aber auch der Preisdeckel von 12 Cent (Gas) und 40 Cent (Strom) pro Kilowattstunde weit von den ursprünglichen Preisen entfernt, die in der Vergangenheit gezahlt wurden, sodass die Mehrbelastung defacto nicht aufgefangen werden kann. Vielmehr dient die Preisdeckelung eher dazu, eine Preissicherheit für die Verbraucher zu schaffen.“

Thorsten: „Ich denke schon, dass es eine gewisse Entlastung darstellen kann und wird. Auch wenn die Preisbremse erst ab März gelten soll. Es bleibt hier interessant abzuwarten, wie die Rückvergütung für den Januar und Februar bei KMUs aussehen wird.“

Ausblick auf 2023

Und wie blicken die drei dem kommenden Jahr entgegen?

„Wir erwarten noch einen weiteren Preisschock. Viele Produzenten, Lieferanten und Vermieter konnten 2022 noch auf bestehende Altverträge zurückgreifen und haben anstehende Energiepreisanstiege noch nicht in Gänze weitergegeben“, sagt Sven. „Wir prognostizieren daher für das erste Quartal 2023 einen weiteren Anstieg von Bezugspreisen, Mieten durch preisindexierte Verträge, Druckerzeugnissen und Speditionskosten. Daraus würden weitere Preissteigerungen für den Endverbraucher resultieren. Dies würde den Absatz bestimmter Warengruppenweiter dämpfen.“

Thorsten sieht durch seine neuen Energieverträge einen stark erhöhten Aufwand in der Nachkalkulation, damit er Rückschlüsse für die kommenden Monate ziehen kann. „Das Ziel ist hier schnellstmöglich ein vernünftiges Mittelmaß für einen Zuschlag zu finden, der zeitlich gesehen weitestgehend konstant sein soll, damit unsere Kunden verlässliche und planbare Preise haben.“ Als Herausforderung sieht er außerdem die Auswirkungen der Inflation.

Unter dem Strich bewerten alle drei die Situation als herausfordernd, aber nicht existenzbedrohend. „Für unser Unternehmen waren in der Vergangenheit tatsächlich die Preissprünge, die durch die coronabedingte Materialverknappung und den Ukrainekrieg ausgelöst wurden, schwerwiegender, da wir hier zum Teil mit der Verdoppelung von Preisen bei Stahl usw. umgehen mussten“, erzählt Thorsten mit Blick auf die letzten drei Jahre. Zeitweise habe er bestimmtes Material nicht mehr kaufen können und, bei Verfügbarkeit, „zu völlig überzogenen Preisen kaufen müssen“, da Stillstand teurer gewesen wäre. Dadurch habe das Unternehmen schon im Jahr 2021 einen Materialkostenzuschlag für einige seiner Produkte eingeführt, in den auch die Preissteigerungen aus dem Einkauf (also auch Energiekostenzuschläge von Lieferanten) mit einflossen.

Für Sven ist die Situation als Vollsortimenter für 2023 ungewiss, aber nicht existenzbedrohend. „Durch unsere Produktvielfalt und eine hervorragende Datenanalyse haben wir den Vorteil, dass wir unser Sortiment an das entsprechende Konsumverhalten kurzfristig anpassen können. Zudem sehe ich in solchen Zeiten auch immer die Chance, vorher unerkannte Kosteneinsparpotenziale zu heben und so auch mit einer optimierten Kostenstruktur aus der Krise herausgehen zu können. Unsere Aufgabe für 2023 wird es sein, noch intensiver Artikel-Sourcing zu betreiben und noch konsequenter in die Preisverhandlungen mit unseren Lieferanten zu gehen, sodass wir unseren Kunden weiterhin Waren zum bestmöglichen Preis anbieten können.“

Die direkten Auswirkungen auf die LzO seien beispielsweise im Vergleich zu dem produzierenden Gewerbe überschaubar, sagt Alexander. Bei seinen Kunden sieht er eine Schwerpunktverschiebung bei Ausgaben, die sich 2023 wohl fortsetzen werde: Betriebsmittelfinanzierungen und Investitionen in erneuerbare Energien stiegen, wohingegen eine Zurückhaltung bei z. B. Erweiterungen und Immobilien zu beobachten sei. Im Bereich der Kreditvergabe habe sich insgesamt aber nicht viel geändert.

Aktuell ist die Zukunft mit vielen Unsicherheiten behaftet, sowohl was die Versorgungslage, als auch die staatlichen Hilfen betrifft. Wenn wir uns abschließend etwas von der Politik wünschen dürften, wäre es mittelfristig die Unabhängigkeit in der Energieversorgung, um somit eine Versorgungssicherheit zu wettbewerbsfähigen Bezugspreisen zu gewährleisten. Bis dahin versuchen sich unsere Mitglieder möglichst auf alles vorzubereiten und immer im engen Austausch untereinander zu bleiben.